Es gibt in diesem merkwürdigerweise als langweilig geltenden Wahlkampf eine eigentümliche Stimmung, als ob die Wahlentscheidung letzten Endes egal sei, als ob abgesehen von eher ornamentalen Details ohnehin fast alle die gleiche Politik verträten. Die Legende der Rechtspopulisten muss so tun, als ob alle links von ihr „Blockparteien“ seien, die sich nicht unterscheiden ließen. Wenn jede andere Haltung zu verschwimmen scheint, nur weil sie von der verabsolutierten eigenen Menschenfeindlichkeit zumindest ein bisschen abweicht, mag das vielleicht einen solchen Eindruck erwecken. Aber auch von anderer Seite wird, ungewollt sicherlich, aber trotzdem, das Lied der AfD gesungen, als ob die Wahl doch ganz egal sei. Wie könnte man sonst seine Stimme an eine Satirepartei vergeuden, wenn man nicht meinte, dass alle anderen Angebote gleich schlecht seien, so schlecht sogar, dass man sie nicht einmal als geringeres Übel zu wählen habe, weil es eben … egal … sei. Mehr Protestwahl geht kaum, aber auch nicht mehr Verachtung für die, die versuchen, im legitimen politischen Meinungsstreit ernsthafte Politikangebote zu machen. Ich kann Martin Kaul sehr gut verstehen, wenn er eine solche Wahl in der http://www.taz.de/!5447201/ umgekehrt als blanken Zynismus verachtet; ganz ohne Frage stimmt jedenfalls Christopher Lauers Einschätzung: „Die Partei Die Partei zu wählen scheint das Deutsche „Clinton und Trump sind gleich schlimm“ zu sein.“ (https://twitter.com/Schmidtlepp/status/909536303330611200)
Dabei muss man den eigenen Blick schon sehr benebeln lassen, um nicht selbst in der von ganz rechts erfolgreich hochgejazzten Flüchtlingsproblematik massive Unterschiede zwischen den „Altparteien“ sehen zu können. Die einen wollen so gut wie möglich integrieren, die anderen so gut wie möglich loswerden. Die echten Herausforderungen, die sich da weiterhin stellen, sind allerdings die Mühen der Ebene. Die vermeintliche Großfrage, die es von rechter Paranoia bis in den Mainstream öffentlich-rechtlicher Diskussionen geschafft hat, ist eigentlich erst mal durch. Ob wir in diesem Jahr am Ende nun 172000 oder 211000 Neuankömmlinge aufzunehmen haben (die erste Zahl ist übrigens nach dem Zwischenstand die wahrscheinlichere), ist dann in der Tat mal eher egal. Also sollte man sich doch eigentlich den echten Fragestellungen und Herausforderungen zuwenden können, und siehe da: Da macht es aber mal richtig große Unterschiede, von wem wir uns in den nächsten Jahren regieren lassen.
Denn es ist eben nicht egal, ob man Klimapolitik zwar irgendwie verbal wichtig findet, aber selbst die dreckigsten Kohlekraftwerke weiter ihr CO² in die Atmosphäre blasen lässt. Oder ob man anfängt sie vom Netz zu nehmen und damit den Ausstoß effektiv verringert. Es ist nicht egal, ob man den Autobauern weiter alle Schummeleien bei Schadstoffen und Verbrauch durchgehen lässt und damit nebenbei den notwendigen technologischen Wandel glatt verschläft. Oder ob man die Anreize und Rahmenbedingungen schafft, die auf allen Ebenen eine Verkehrswende erlauben, auf dass der Verkehr – was wiederum für den Klimaschutz dringendst geboten ist – möglichst schnell zum Null-Emittenten wird.
Es ist nicht egal, ob wir die Spaltung der Gesellschaft wie ein Naturgesetz hinnehmen, oder ob wir die Bedingungen so verändern, dass Arbeit auch in weniger begünstigten Branchen einkömmlich sein müssen. Ob wir dem Geringverdiener zum Zurücklegen fürs Alter und zur Eigentumswohnung raten, oder ob wir soziale Sicherungssysteme stärken und Mieten bezahlbar halten. Es ist nicht egal, ob wir Infrastruktur an ruinöse Privatiers verschleudern oder ob wir sie als eine Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge ansehen, dies es lohnt zu modernisieren und für sie zu investieren. Es ist nicht egal, ob unser Bildungssystem weiterhin viele zurücklässt, oder ob es uns gelingt, darin Chancengleichheit für alle herzustellen. Es ist nicht egal, ob aus der Massentierhaltung mit ihrem Antibiotika-Missbrauch kommend resistente Keime unser Leben bedrohen oder ob wir eine Landwirtschaft betreiben, die uns gesunde Lebensmittel liefert und zugleich Tierquälerei und die Verunreinigung unseres Trinkwassers durch überdüngte Böden vermeidet.
Zu all diesem, und das sind nur wenige wichtige Themen herausgenommen, gibt es sehr unterschiedliche Politikangebote, aus denen man wählen kann. Es macht einen Unterschied.