Der Islamismus ist ein Rechtsextremismus

Der islamistische Fundamentalismus ist eine rechtsradikale Denkart; seine dschihadistisch-terroristische Praxis, und alle gedanklichen Vorstufen dazu, sind eine Form des Rechtsextremismus. Ich halte das für im Grunde triviale Aussagen, aber sie sind in der öffentlichen Diskussion wenig geläufig.

In der taz hat Steffi Unsleber gerade Felix Klein vorgestellt, der vom Zentralrat der Juden für das neue Amt des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung vorgeschlagen worden ist. Das allein, um das vorweg klarzustellen, genügt mir, um den Mann für vertrauenswürdig und grundsätzlich geeignet zu halten. Es heißt dazu (der Konjunktiv, da Klein vorgeschlagen, aber noch nicht im Amt bestellt ist):

Wenn Klein wirklich Antisemitismusbeauftragter werden würde, würde er sich gerne als Erstes mit der Erfassung der antisemitischen Delikte beschäftigen, sagt er. „Nach der jetzigen Kriminalstatistik haben antisemitische Straftaten zu 90 Prozent einen rechtsradikalen Hintergrund. Von Betroffenen und jüdischen Organisationen weiß ich, dass die Bedrohungslage anders wahrgenommen wird.“ Auch dass antisemitische Propagandadelikte ohne klar erkennbare Täter in der Regel als rechtsradikal eingestuft werden, deute auf statistische Verzerrungen hin. „Dem würde ich gerne auf den Grund gehen – und für eine bessere Kategorisierung der Straftaten sorgen. Auch in Zusammenarbeit mit dem Innenministerium.“

Gegen eine „bessere Kategorisierung“ ist nicht nur nichts zu sagen; ich verstehe auch gut, warum sie aktuell dringend geboten ist. Aber besser ist dann auch, verbal nicht erst einmal die falschen Kategorien aufzumachen. Weiterlesen „Der Islamismus ist ein Rechtsextremismus“

Weltkulturerbe

Palästina ist nun einmal rechtmäßig die Gebietskörperschaft, in der Hebron und damit die Patriarchengräber liegen. Daran ändert auch das Hebron-Abkommen mit seinen Bestimmungen über die faktische Verwaltungshoheit nichts. Zweifellos ist es angesichts dieser Regelungen ein auch provokativ gemeinter politischer Akt, wenn ein Antrag auf Aufnahme dieser Monumente in die Liste des Weltkulturerbes seitens Palästinas erfolgt. Die UNESCO hat die Gräber damit aber nicht zum palästinensischen (und erst recht nicht zum nicht-israelischen) Kulturerbe erklärt, wie die USA und Israel suggerieren wollen. Sondern zum WELTkulturerbe. Gerade weil Israel die Patriarchengräber (mit bestem Recht!) als elementaren Teil seines eigenen Kulturerbes ansieht, kann es recht besehen nur begrüßen und sich freuen, wenn dies nun als so bedeutsam anerkannt wird, ein Teil des globalen Erbes der Menschheit zu sein. Wenn dieses Erbe damit unter besonderem internationalen Schutz steht, egal, zu welchem Staat es heute gehört oder einmal gehören wird. Die Welterbeliste zu nationalisieren heißt ihren Sinn völlig zu verfehlen. Aber wo und solange Menschen das Sagen haben, denen Kultur nur im abgrenzenden Sinne zur kleinlichen Versicherung der offenbar schwachen eigenen Identität dient (siehe auch „Leitkultur“ …), fehlt natürlich jedes Verständnis für das, was mit Weltkultur und Welterbe gemeint ist. Kleingeister, an denen nur ihr Mangel an Kultur groß ist.

Worum es geht

Es gibt in diesem merkwürdigerweise als langweilig geltenden Wahlkampf eine eigentümliche Stimmung, als ob die Wahlentscheidung letzten Endes egal sei, als ob abgesehen von eher ornamentalen Details ohnehin fast alle die gleiche Politik verträten. Die Legende der Rechtspopulisten muss so tun, als ob alle links von ihr „Blockparteien“ seien, die sich nicht unterscheiden ließen. Wenn jede andere Haltung zu verschwimmen scheint, nur weil sie von der verabsolutierten eigenen Menschenfeindlichkeit zumindest ein bisschen abweicht, mag das vielleicht einen solchen Eindruck erwecken. Aber auch von anderer Seite wird, ungewollt sicherlich, aber trotzdem, das Lied der AfD gesungen, als ob die Wahl doch ganz egal sei. Wie könnte man sonst seine Stimme an eine Satirepartei vergeuden, wenn man nicht meinte, dass alle anderen Angebote gleich schlecht seien, so schlecht sogar, dass man sie nicht einmal als geringeres Übel zu wählen habe, weil es eben … egal … sei. Mehr Protestwahl geht kaum, aber auch nicht mehr Verachtung für die, die versuchen, im legitimen politischen Meinungsstreit ernsthafte Politikangebote zu machen. Ich kann Martin Kaul sehr gut verstehen, wenn er eine solche Wahl in der http://www.taz.de/!5447201/ umgekehrt als blanken Zynismus verachtet; ganz ohne Frage stimmt jedenfalls Christopher Lauers Einschätzung: „Die Partei Die Partei zu wählen scheint das Deutsche „Clinton und Trump sind gleich schlimm“ zu sein.“ (https://twitter.com/Schmidtlepp/status/909536303330611200)

Dabei muss man den eigenen Blick schon sehr benebeln lassen, um nicht selbst in der von ganz rechts erfolgreich hochgejazzten Flüchtlingsproblematik massive Unterschiede zwischen den „Altparteien“ sehen zu können. Die einen wollen so gut wie möglich integrieren, die anderen so gut wie möglich loswerden. Die echten Herausforderungen, die sich da weiterhin stellen, sind allerdings die Mühen der Ebene. Die vermeintliche Großfrage, die es von rechter Paranoia bis in den Mainstream öffentlich-rechtlicher Diskussionen geschafft hat, ist eigentlich erst mal durch. Ob wir in diesem Jahr am Ende nun 172000 oder 211000 Neuankömmlinge aufzunehmen haben (die erste Zahl ist übrigens nach dem Zwischenstand die wahrscheinlichere), ist dann in der Tat mal eher egal. Also sollte man sich doch eigentlich den echten Fragestellungen und Herausforderungen zuwenden können, und siehe da: Da macht es aber mal richtig große Unterschiede, von wem wir uns in den nächsten Jahren regieren lassen.

Denn es ist eben nicht egal, ob man Klimapolitik zwar irgendwie verbal wichtig findet, aber selbst die dreckigsten Kohlekraftwerke weiter ihr CO² in die Atmosphäre blasen lässt. Oder ob man anfängt sie vom Netz zu nehmen und damit den Ausstoß effektiv verringert. Es ist nicht egal, ob man den Autobauern weiter alle Schummeleien bei Schadstoffen und Verbrauch durchgehen lässt und damit nebenbei den notwendigen technologischen Wandel glatt verschläft. Oder ob man die Anreize und Rahmenbedingungen schafft, die auf allen Ebenen eine Verkehrswende erlauben, auf dass der Verkehr – was wiederum für den Klimaschutz dringendst geboten ist – möglichst schnell zum Null-Emittenten wird.

Es ist nicht egal, ob wir die Spaltung der Gesellschaft wie ein Naturgesetz hinnehmen, oder ob wir die Bedingungen so verändern, dass Arbeit auch in weniger begünstigten Branchen einkömmlich sein müssen. Ob wir dem Geringverdiener zum Zurücklegen fürs Alter und zur Eigentumswohnung raten, oder ob wir soziale Sicherungssysteme stärken und Mieten bezahlbar halten. Es ist nicht egal, ob wir Infrastruktur an ruinöse Privatiers verschleudern oder ob wir sie als eine Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge ansehen, dies es lohnt zu modernisieren und für sie zu investieren. Es ist nicht egal, ob unser Bildungssystem weiterhin viele zurücklässt, oder ob es uns gelingt, darin Chancengleichheit für alle herzustellen. Es ist nicht egal, ob aus der Massentierhaltung mit ihrem Antibiotika-Missbrauch kommend resistente Keime unser Leben bedrohen oder ob wir eine Landwirtschaft betreiben, die uns gesunde Lebensmittel liefert und zugleich Tierquälerei und die Verunreinigung unseres Trinkwassers durch überdüngte Böden vermeidet.

Zu all diesem, und das sind nur wenige wichtige Themen herausgenommen, gibt es sehr unterschiedliche Politikangebote, aus denen man wählen kann. Es macht einen Unterschied.

Antwort an M. Grimmenstein

Marianne Grimmenstein hat sich große Verdienste erworben als Vorkämpferin für öffentliche Interessen und das Gemeingut, namentlich gegen CETA und ÖPP (Öffentlich-Private Partnerschaften), die auch dem Autor dieser Zeilen ein Erz-Ärgernis sind, weil sie nur der schönen Formel von der Privatisierung der Gewinne, Kollektivierung der Verluste ein neues Gewand geben. Ihr Kampfesmut, ihre Entschlossenheit und die Richtigkeit im Grundsatz standen stets höher als die sachliche Genauigkeit. Mit einem Frontalangriff auf die Grünen in einem Offenen Brief und als Brief an die Petitionsteilnehmer hat sie leider den Boden der sachlichen Diskussion zugunsten parteipolitischer Polemik völlig verlassen. Leider gibt es auch auf der an sich kritischen Seite des politischen Spektrums ein Publikum, das solchen populistischen Ausbrüchen unbesehen zujubelt und es sowieso schon immer gewusst hat. Und wie eh und he vergisst man auf der politischen Linken, wo der Gegner eigentlich steht, und geht lieber auf die los, die einem nah genug stehen, dass man die kleinen Unterschiede anscheinend nicht mehr aushält. Mit dem Ausdruck des Bedauerns eine notwendige Antwort:

„Die Petition habe ich um der Sache willen unterschrieben, obwohl ich mich bereits da über unsachliche Polemik und falsche Informationen im Petitionstext geärgert habe. Geärgert habe ich mich dann ohne Frage auch über das Abstimmungsverhalten der grün mitregierten Länder im Bundesrat. Dennoch ist die Art und Weise, wie Sie in einer Verquickung falscher und ungenauer Informationen mit polemischen Bewertungen einen Angriff auf die Grünen reiten, schon wirklich übel. Dass Sie den offenen Brief auch in meinem Namen als Petitionsteilnehmer geschrieben haben wollen, verbitte ich mir ausdrücklich.
Ich greife nur einige Punkte heraus:
– Es wird auch durch Wiederholung nicht richtiger, dass es gegolten hätte, eine „Privatisierungwelle“ „zu verzögern“ (was ich drollig und wenig zielführend finde) oder zu stoppen. Wo rollt die denn? Es wäre darum gegangen, Schlupflöcher zu stopfen, um private Profite an öffentlichem Eigentum vermittels ÖPP zu verhindern. Auch wenn ÖPP streng genommen keine Privatisierungen sind, sind und bleiben sie falsch, weil sie systematisch teurer kommen und somit öffentliches Vermögen verschwenden. Das Ziel halte ich weiterhin für wichtig. Jede einzelne ÖPP bleibt aber eine politische Entscheidung. Dafür brauchen wir gegebenenfalls Ihre starke Stimme, aber nicht für substanzlose Breitseiten.
– Was Sie mit dem armen neuen Art. 104c GG wollen, erschließt sich sowieso erst auf den dritten Blick. Sie haben sich da nämlich schlicht den falschen Gesetzes-Satz zur Zielscheibe ausgesucht. Art. 104c GG regelt Verhältnisse zwischen Bund und Ländern und ermöglicht Finanzhilfen des Bundes für Bildungsinvestitionen auf kommunaler Ebene. Man muss schon Erz-Föderalist sein, um daran Schlechtes zu finden. Ein Pferdefuß steckt allerdings in der Tat im Ausführungsgesetz. Im Kommunalinvestitionsförderungsgesetz wird in § 13 (2) die Möglichkeit von ÖPP geöffnet. (Wahrscheinlich – ich habe das nicht überprüft – ist das nicht einmal etwas Neues, sondern bei den Investitionen auf Landesebene jetzt schon verbreitet möglich. Was es nicht besser macht.) Diesen Absatz zu streichen, ist deshalb zu fordern, da wäre ich dann ganz bei Ihnen. Man muss aber keineswegs das Kind mit dem Bade ausschütten. Und über der Polemik die sachliche Genauigkeit derart zu vernachlässigen, ist Ihrer Glaubwürdigkeit nicht gerade zuträglich, um den Anwurf an die Grünen zu retournieren.
– Überhaupt: Mit „Privatisierung der Bildung“ (oder auch „Abschaffung der kommunalen Mitbestimmung“) hat all das rein gar nichts zu tun. Es geht um Beteiligung Privater an Investitionen in die Schulinfrastruktur, also schlicht gesagt die Gebäude (was ich mit Ihnen ablehne), jedoch (zum Glück!) nicht um die Bildung, die in ihnen stattfindet. Mit solchen emotional aufwühlenden Begriffen gewinnt man natürlich Aufmerksamkeit, aber wenn sie einfach nicht stimmen, sind sie dann eben auch nur eine Variante populistischer Falschinformationen.
– Auf die Punkte zu CETA kann ich ohne größere Recherchen nicht im einzelnen eingehen. Ob die von Ihnen quasi verlangten juristischen Schritte wirklich aussichtsreich wären, erscheint mir mindestens zweifelhaft. Als überzeugter Europäer finde ich sie zum Teil auch inhaltlich bedenklich. Es scheint mir jedenfalls völlig richtig, dass sich eine politische Partei mit politischen Fragen vorrangig politisch auseinandersetzt und den juristischen Weg eher als letzten Ausweg sieht. Vor allem aber ist Ihre ‚Schlussfolgerung‘ inakzeptabel: Weil die Grünen bestimmte Maßnahmen des Vorgehens gegen CETA, die sie zufällig gerade gut finden, nicht ergriffen haben, „setzen sie sich eigentlich für CETA ein“? Das ist eine unverfrorene Verdrehung der Logik, ganz schön selbstgerecht, und, mit Verlaub, wirklich dreckig gespielt.“

Übelkeit

Man kann gar nicht so viel essen, wie man kotzen möchte. Zugegeben, das ist jetzt nicht gerade die subtilste politische Analyse. Und es gibt auch ganz andere Gründe, warum ich dieses Blog durch lange Zeiten schweigen ließ, obwohl diese Zeiten politisch doch hyperaktiv waren. Aber gerade die Flut schlechter Nachrichten aus Trumpistan und Erdoğans Neo-Osmanischem Reich lässt einer Analyse kaum Raum, die sich nicht von der tagesaktuell durchs Dorf getriebenen Sau hetzen lassen will. Zumal die westliche Supermacht durch das widersprüchliche Irrlichtern ihres „sogenannten“ Präsidenten und seiner hilflosen Administration jede Standortbestimmung am nächsten Tag schon wieder Lügen zu strafen vermag. Vielleicht sehen wir allmählich bald etwas klarer. Erfreulicher geworden ist jedenfalls bislang nichts. Keine Hoffnung auf Normalisierung ist eingetreten, dafür beinahe jede Befürchtung noch übertroffen worden. Und soll es jetzt ein Trost sein, dass Trump womöglich daran scheitert, dass er es schlichtweg nicht kann, rein handwerklich?

Oh, man hätte sicher auch etwas über Innenpolitik schreiben können in der Zwischenzeit. Aber die wäre dem Gefühl nach doch ein zu banaler, belangloser Gegenstand gewesen im Lichte einer Weltlage, zu der einem die Worte fehlen.

Demnächst aber vielleicht doch wieder ein paar mehr davon.

Ein vernünftiger Kompromiss

Natürlich liegt es nahe zu lästern, die Atomkonzerne „dürfen sich freikaufen“, so sogar tagesschau.de im Titel. Die Gewinne privatisiert, die Verluste sozialisiert. Ist ja auch nicht ganz falsch. Und sicher, das lehrt alle Erfahrung, wird es am Ende ja doch noch teurer werden. Aber trotzdem ist die Lösung für die Folgekosten der Atomstromgewinnung sinnvoll, wie sie die überparteiliche Kommission erarbeitet hat und wie sie jetzt Gesetz werden soll. Denn sich darauf zu verlassen, dass die Konzerne der Verantwortung gerecht werden, die sie eigentlich tragen müssen, wäre die weitaus gefährlichere Lösung. Und im schlechten Fall die noch viel teurere. Wenn die Unternehmen pleite gehen, helfen alle zwangsweise gebildeten Rückstellungen nichts. Bis dahin helfen sie mehr den Unternehmen beim Steuernsparen, als dass sie wirklich Gewähr für eine sichere Bewältigung der Folgekosten bieten. Die Versuche, die Konzerne zu spalten und den Atom-Teil zu einer Art „bad bank“ werden zu lassen, können nur muisstrauisch machen. Dazu kommt, dass es mit „privat“ und „öffentlich“ hier ohnehin seine besondere Bewandnis hat. Unbestreitbar durften Privatunternehmen hohe Gewinne erzielen mit längst abgeschriebenen Investitionen, ohne auf Folgen Rücksicht nehmen zu müssen. Dass aber diese folgenschwere Risikotechnologie in dem Maße zum Einsatz kam, war einstmals durchaus politisch gewollt. Der Staat war hier schon immer auch Akteur.

Es ist ja auch nicht so, dass die Unternehmen schlankweg von den Folgekosten befreit werden sollen. Für den, mindestens zeitlich, überschaubareren Teil, den Rückbau der Anlagen, müssen sie weiterhin auf eigenes Risiko aufkommen. Das muss und kann man ihnen zumuten. Aus der langfristigen Verantwortung der Endlagerung, die ein am Markt agierendes und dementsprechend immer auch vom Untergang bedrohtes Unternehmen eigentlich rational überhaupt nicht übernehmen kann, werden sie sich in der Tat „freikaufen“. Aber auch wenn man wetten mag, dass es am Ende nicht reichen wird, ein Schnäppchen ist das nicht. Die dafür bislang gebildeten Rücklagen, schlappe 17 Milliarden Euro, müssen ohne Nachlass auf den Tisch; im Gegenteil wird für die zu erwartende Kostensteigerung zumindestens anteilig ein Risikoaufschlag fällig. Die darüber hinausgehende Haftung liegt dann bei der Öffentlichkeit, aber nur dort kann sie für über Hunderte von Jahren laufende Vorkehrungen ohnehin sein. (Auch für die öffentliche Hand ist das weiterhin eine nie dagewesene Verantwortung, die zu meistern sie erst beweisen muss. Aber wer sonst könnte es zumindest potentiell?) Das Geld, das sonst schlechtestenfalls zu versickern drohte, muss ausgereicht werden, wird dingfest gemacht. Der Staat wird irgendwann drauflegen, und damit wird eine gebetsmühlenartige Beteuerung der Vergangenheit hinfällig. Aber glaubwürdig war die schon lange nicht mehr, wenn sie es jemals war. Jetzt macht man sich ehrlich, mit einem Kompromiss, der dem Staat mindestens den drohenden Totalverlust erspart. Wahrscheinlich wird auf diese Weise ein Teil der Verluste sozialisiert, nachdem die Gewinne über lange Jahre private waren. Schön ist das nicht. Aber man muss es vernünftig nennen.

Eine List der Vernunft?

Ich bin gewiss kein Hegelianer, aber wenn aus dem Seehofer-Dobrindtschen Maut-Irrsinn am Ende eine Neuregelung der Kfz-Steuer wird, die Halter schadstoffarmer Fahrzeuge deutlich entlastet und die diejenigen, die nicht von besonders ineffizienten Stinkern lassen wollen, blechen lässt, dann wäre ich fast bereit, an eine List der Vernunft zu glauben. Nun gut, sehen wir mal, was für ein fauler Kompromiss wahrscheinlich wirklich am Ende herauskommt …

Augenmaß

Es ist schon nicht mehr ganz frisch, aber ich kann mich immer noch nicht beruhigen darüber. „Gegen Islamisten ist kein Augenmaß gefragt“, hat sich Peter Tauber nicht entblödet kundzutun. Natürlich ist das in seinem Fall auch generalsekretärisch getrötet, aber zu ähnlich furchterregenden Formulierungen hat sich eine ganze Riege von Unionspolitikern verleiten lassen, nachdem Aydan Özoguz, die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, just jenes Augenmaß eingefordert hat. Augenmaß, das hätte ich bis hierhin für etwas unbestritten und  uneingeschränkt Gutes gehalten in der Politik, etwas, dass NIE NICHT gefragt sein kann, wenn es um politische Fragen geht. Weil das Gegenteil von Maß nämlich Maßlosigkeit ist, politisch gesprochen also: Fanatismus. Von diesem scheinen unsere konservativen Sicherheitspolitiker befallen zu sein. Sich Gedanken machen, ob eine Maßnahme maßvoll ist? Aber nicht doch, wir haben den Sicherheitsbehörden gefälligst blind zu vertrauen. Alles andere ist Dolchstoß. Eine freiheitliche Gesellschaft, die solche Verteidiger hat, braucht keine Feinde mehr. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Institutionen, und dazu gehören Sicherheitsbehörden, brauchen Vertrauen, sonst funktionieren sie nicht. Es ist gerade einer der ganz heiklen Punkte über die neue Rechte, dass sie diesen Grundkonsens aufgekündigt hat. Aber das heißt nicht, dass die Berechtigung dieses Vertrauens nicht immer wieder geprüft werden muss. Kritisches Vertrauen brauchen unsere Sicherheitsorgane, aber unkritisches verdienen sie ganz sicher nicht. Erinnert sich noch jemand an gewisse Vorgänge, die mehrere aktuelle Untersuchungsausschüsse nach sich gezogen haben? Da muss man sich schon für das nötige Maß an Vertrauen durchaus überwinden.

Reagieren auf Trump

Natürlich war es ein Schock, als sich Donald Trump als Sieger der Präsidentschaftswahlen in den USA herausstellte. Aber wenn in Häme bei den einen, Zerknirschung bei den anderen schnell die vermeintliche Weltfremde des aufgeklärt-linksliberalen Diskurses angeprangert wurde, der nun überrollt sei von den realen Mehrheitsverhältnissen, ist das eine Halbwahrheit, die nicht zur Mythenbildung auswachsen sollte. „Hillary Clinton muss um den Sieg zittern“, machte die SZ am Wahltag auf, und der gepriesene amerikanische Wahlforscher Nate Silver mit seinem ungemein detaillierten Projekt fivethirtyeight.com unterließ nicht den Hinweis, dass eine Prognose 70:30 alles andere als ein sicherer Sieg sei, die Unsicherheitsfaktoren größer als bei früheren Wahlen, aber bereits ein systematischer Fehler wie bei früheren Wahlen das Ergebnis auf den Kopf stellen könne. Es ist also nicht so, dass es die Warnungen nicht gab und sie nicht auch in dem Milieu, das es anders wünschte, kognitiv wahrgenommen worden wären. Erst recht nicht, dass etwas totgeschwiegen wurde. Wahr ist allerdings, dass man die Gefahr nicht wahrhaben wollte. Solange alle Prognosen noch gut ausgingen, verdrängte man die Gefahr lieber, ließ sie emotional nicht an sich heran. Insofern hat auch das aufgeklärte Lager den Aufenthalt in einer Blase der eigenen Überzeugung bevorzugt, und das in der Tat widerspricht dem eigenen aufgeklärten Anspruch.

Bedenklich wird es allerdings, wenn der berechtigte Schrecken über die gestörte Wahrnehmung übersteigert wird durch eine Selbstbezichtigung der Schuld. „“Wir sind schuld““ titelt die taz am Freitag, und im Untertitel: „Wer hat Trump zum Sieg verholfen? Wir, die ignoranten liberalen Eliten, schreibt US-Aurorin Deborah Feldman“. Daran ist nun so ziemlich alles falsch. Dass „wir“ es nicht richtig gemacht haben, beweist der Wahlausgang. Während die Frage aber eher auf taktisch-strategische Fehler zielt, überhöht die Antwort den Fehler moralisch. Und das kann, mit Verlaub, im Umgang mit Trump nicht richtig sein. Man kann nicht einfach davon abgehen, dass dieser Mann, so wie er sich im Wahlkampf präsentiert hat, schlechterdings unwählbar war (hätte sein müssen) für jedeN, die/der sich politisch verantwortungsbewusst gebärdet und bislang für grundlegend und gemeinsam gehaltene Wertmaßstäbe wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und schlicht zwischenmenschlichen Respekt und die Menschenwürde teilt. Selten ist Politik moralisch eindeutig, hier schon. So viel konnte Clinton (und ihr Lager, und damit meinetwegen wir alle auf dieser Seite) gar nicht falsch machen, dass ihre Niederlage gegen diesen Gegner moralisch aufgeladen werden könnte. Tatsächlich passiert ja auch etwas anderes. Der taz-Titel gibt den zwei Seiten weiter abgedruckten Artikel der amerikanischen Autorin nämlich gar nicht korrekt wieder. Was selbstkritisch klingt, entlarvt sich als eher selbstgefällig. Das „wir“, dem sich die Autorin zugehörig fühlt, hat es nämlich schon lange besser gewusst. Kritisiert wird gar nicht die eigene Gruppe der gewissermaßen echten Linken, sondern die beklagte „liberale Elite“ sind jene Pseudo-Sozialdemokraten, die in Wirklichkeit dem Neoliberalismus fröhnen. Ungeachtet, dass an der Kritik inhaltlich einiges berechtigt sein könnte, missfällt doch sehr der Gestus, wie aus einem kontroversen, weil in der Situation vielleicht doch den falschen Gegner anvisierenden „Die sind schuld“ ein vermeintlich unangreifbares, wirklich aber geheucheltes „Wir sind schuld“ wird. Die linke „Schuld“-Rhetorik der vergangenen Tage scheint mir allgemein meist einem ähnlichen Muster zu folgen. Das ist dann also auch nur eine weitere Inkarnation des alten linken Paradoxons: Im Zweifel wird lieber die Distanz zur einem immer noch näher stehenden Position ins Auge gefasst als der gemeinsam viel größere Abstand zu einer dritten. Damit kann man auch die berechtigste Kritik zur Unproduktivität verdammen.
Oh, hat sich da gerade jemand über Nabelschau beklagt?

Wenden wir den Blick also nach vorn. Die Situation ist nun mal da. Einige sehr vorläufige Gedanken dazu, mit ihr umzugehen.

Kühler Kopf und klare Kante

Fast etwas befremdet blickt man, noch aufgewühlt von Schrecken und Verärgerung, auf den Versuch der Wahlverliererin und des scheidenden Amtsträgers, den Vorgang in möglichst viel zivile Normalität zu kleiden. Kann man denn mit einem wie Trump normal umgehen? Fast etwas zu frohlockend nimmt man den undiplomatisch gepfefferten Nicht-Glückwunsch des deutschen Außenministers wahr. Ist das nicht gegen alle Regeln des Umgangs? Nein, alles gut soweit, man kann eigentlich die einen wie den anderen nur belobigen. Der Umgang wird schwierig, ganz normal kann er auf absehbare Zeit nicht sein, wenn aber auch normal nicht geht, sind die zivilen Formen doch gerade gegenüber einem, der sie zu missachten pflegt, besonders wichtig, ja werden selbst schon zum politischen Faktum. Ich wünsche mir in diesem schwierigen Umgang aber schon Menschen mit so viel Rückgrat, von starken Worten im Wahlkampf nicht umstandslos auf Friede, Freude, Eierkuchen umzuschwenken. Dass sich Steinmeier auch nach der Wahl deutlich äußert, ist für eine einigermaßen offene Begegnung auf Augenhöhe sogar Voraussetzung. Dagegen ist es unnötig vorauseilend unterwürfig, wenn die wichtigsten EU-Repräsentanten eiligst mit einer Einladung um den Neugewählten herumscharwenzeln, und zwar kommentarlos. Eine gute Mitte getroffen hat da einmal mehr, das muss man ihr schon lassen, die Bundeskanzlerin, die den Gesprächsfaden sucht, aber zugleich zu verstehen gibt, auf welcher Grundlage man zusammenkommen kann – und auf welcher damit eben nicht. Der erste Impuls, einen Präsidenten Trump zu schneiden, wo es nur geht, ist töricht und falsch. Ihm nicht nur inhaltlich selbstbewusst, sondern auch eher formal und kühl entgegenzutreten, ist dagegen eine Frage der persönlichen und politischen Selbstachtung. Seine Politik wird man je von Fall zu Fall pragmatisch prüfen müssen. Mit ihm normal umgehen kann man zunächst nur im Sinne der Normalität, die das Protokoll vorgibt.

Jetzt erst recht!

Ganz überwiegend ist ein europäisches Weh über Trump ein Klagen auf hohem Niveau. Ihre Wahlentscheidung müssen in erster Linie schon die Amerikaner selbst ausbaden. (Randbemerkung dorthin: Man kann nicht gut gegen die Wahl Trumps demonstrieren, das wäre nicht weniger undemokratisch als viele seiner Attacken auf das politische System; sehr wohl kann man aber gleich von Anfang an massiv gegen eine Politik demonstrieren, die sich mit seiner Wahl ankündigt.) Welche Richtung seine Außenpolitik einschlagen wird, ist nach dem völlig unvereinbaren Mischmasch von isolationistischen und bellizistischen Äußerungen im Wahlkampf einstweilen überhaupt nicht einzuschätzen. Selbst dass er explizit den NATO-Bündnisfall mit einer wenn-Hypothese versah, ist zwar eine Unmöglichkeit unter Vertragspartnern, aber im Gesamtkontext erstmal nicht mehr als loses Gerede. Dass Europa auf die USA mutmaßlich nicht zählen kann, ist ja nicht einmal in erster Linie ein militärisches Problem. Auch wer Sicherheitspolitik bevorzugt diplomatisch betreibt, hat sinnvollerweise ein Interesse, die USA an seiner Seite zu wissen. Das bleibt abzuwarten. Europa sollte aber zügig anstreben, die eigene Handlungsfähigkeit zu verbessern. Eine europäische Kleinstaaterei wird erst recht keine Probleme lösen können. Ein Nationalismus, wie er zum Populismus trumpistischer Prägung auch in vielen Staaten Europas gehört, wird hier zum Keil mit Zerstörungskraft. Dagegen gibt es kein Zaubermittel. Ganz falsch wäre es jedenfalls, diesen Bestrebungen preiszugeben. Eine Schwächung Europas, und das fängt an mit Schlechtreden, wird seine Verächter nur stärken. Es ist wenig realistisch, dass in absehbarer Zeit eine institutionelle Vertiefung und Verdichtung der europäischen Einheit gelingen kann, obwohl dies gerade jetzt wünschenswert wäre. Wir müssen uns aber darum bemühen, dass dies einmal wieder möglich wird. Die Erfolgsgeschichte, die Europa trotz aller Schwächen und Mängel ist, muss endlich wieder als solche wahrgenommen werden.

Erst recht ist die Flucht nach vorn die einzige Option bei dem gravierendsten Problem, das die gesamte Welt mit einem US-Präsidenten Trump haben wird, und das wohl leider ziemlich unzweideutig. Im Kampf gegen den Klimawandel wird er keine Hilfe, sondern ein Bremsklotz sein. Das Paris-Abkommen ist ratifiziert, er wird also nicht den ganzen vertraglichen Prozess komplett hintertreiben können. Aber in seiner Amtszeit wird einigermaßen sicher nichts passieren, damit die USA ihren Beitrag zur Reduktion der Klimagase leisten. Die Folge ist ganz schlicht: Da wir die Notwendigkeit erkannt haben voranzukommen, müssen wir vorangehen. Die anderen großen Staaten müssen das auffangen, was die USA nicht leisten. Das ist im übrigen kein Altruismus. Ich bin überzeugt, dass sich dem menschengemachten Klimawandel durchaus noch viel entgegensetzen lässt. Wenn nur einige entschlossen vorangehen, werden die anderen sehen, dass sie nicht nur in dieser Hinsicht zurückbleiben, weil die zukunftsweisenden Technologien bei den Pionieren sind. Sich dem Klimawandel nicht entgegenzustellen, ist auch in allgemeiner zukunftspolitischer Hinsicht mutlos. Wir müssen nur erst eine gewisse Dynamik entfesseln, dann wird Klimaschutz so attraktiv werden, dass geradezu ein Wettlauf um die wirkungsvollsten Maßnahmen in Gang kommt. Dann werden amerikanische Industrielle Trump verfluchen, weil das Land in seiner Regierungszeit in einen kaum mehr aufholbaren Rückstand geraten ist …

Die deutsche Bundesregierung hat das ja zum Glück erkannt … und ihren aktuellen Klimaschutzplan bis zur Bedeutungslosigkeit verwässert. Das ist jetzt nicht einfach nur eine schlechte Nachricht. Das ist wirklich ganz sagenhaft dumm. Trump-Niveau, liegt mir zu sagen auf der Zunge. Aber ich wollte ja eigentlich sachlich bleiben.

Zusammenhalt der Gesellschaft

Von den „zwei Staaten von Amerika“ schrieb die taz am Wochenende, der Tenor ist in vielen Medien derselbe, und die Entwicklung ja nicht ganz neu. Dass durch Amerika mehr noch als anderswo ein Riss geht, und früher schon ging, zeigen die blau-roten Wahlmännerkarten schon aller Präsidentenwahlen spätestens nach Clinton (Bill). Die Ränder (Küsten) blau, die Mitte rot. Auf dem flachen Land ist für die Demokraten schon lange nichts mehr zu holen, in den Städten für die Republikaner. Die Verteilung als solche wäre vielleicht zu verschmerzen, aber über die Distanz ging auch die Kommunikation verloren, überhaupt die Grundlagen. Nicht erst seit Trump ist das Reden übereinander – nicht miteinander – oft hasserfüllt. Wenn es heute heißt, die ‚liberalen Eliten‘ verachteten die ‚einfachen Menschen‘, sollte nicht vergessen werden, dass die Spirale des Hasses schon von rechts ausging. Besonders die Präsidentschaft Obamas hat die verbreiteten rassistischen Vorurteile offenbar so provoziert, dass Internetforen jedweden Themas mit Gülle zugekübelt werden konnten, über ihn, über Washington, über das System im allgemeinen. Das Ausmaß von Hass, Verachtung und Niedertracht hat dort schon lange Werte erreicht, die wir bei uns gerade erst kennenlernen. Mit Trump ist das jetzt mehrheitsfähig geworden. Das heißt nicht, dass alle, oder auch nur die meisten, seiner Wähler diese Respektlosigkeit vor dem Menschen und seiner Würde teilen; hingenommen als Kollateralschaden haben sie aber auch diese. Derart skrupellos zu werden zeigt schon eine furchtbare Verzweiflung an. Vielleicht ist die Metapher von den „Abgehängten“ nicht ganz falsch, wobei es eine subjektive Zuschreibung bleiben muss, denn es sind ja nicht die Ärmsten, die Trump überdurchschnittlich wählen. Aber der Blick auf Durchschnitte verzerrt natürlich auch das Bild, Reiche sind weltweit gerne konservativ und wählen von daher in den USA öfter Republikaner. Signifikant ist eher, dass Trump in Wählerschichten gut abgeschnitten hat, die Republikaner gewöhnlich (und so auch er) nicht mehrheitlich gewinnen können. Und so landet man eben doch bei den Veränderungsverlierern als den Wählern, die er zwar vielleicht gar nicht am meisten gewann, die aber den Ausschlag gaben. Oder die Veränderungsverlust-Fürchtende. Das ist ja offenbar auch in Deutschland die Gruppe mit dem größten AfD-Potential. Und natürlich haben wir da ein reales und nicht nur eingebildetes Problem.

Seit dem amerikanischen New Deal und dem westdeutschen Wirtschaftswunder boten unsere Gesellschaften einer enorm verbreiterten Gruppe Menschen die Chance, zu ein wenig Wohlstand zu kommen. Sehr wenig oft nur, wenn man genauer darauf schaut und mit heutigen Verhältnissen vergleicht, aber recht stabil und zuverlässig war er über lange Zeit. Kurz gesagt, haben heute zwar sehr viele Menschen sogar deutlich mehr; aber mit oft gutem Grund kein großes Vertrauen darauf, damit auch sicher in die Zukunft schauen zu können. Das ist ein Effekt der enorm dynamisierten Wirtschaftsgeschichte der letzten Jahrzehnte, die in vieler Hinsicht durchaus erfolgreich genannt werden muss, aber ihren Preis hat. Das Versprechen, wenn es den Erfolgreichen oben gut geht, falle auch für die Schwächeren weiter unten etwas ab („trickle down“) hat sich erfüllt, aber allzu wörtlich: „Heruntergetröpfelt“ ist schon ein bisschen was, aber das meiste ist eben doch hängen geblieben. Die Abstände zwischen oben und unten sind größer geworden. (Das ist in den letzten Jahren zum Stillstand gekommen, aber die Veränderung ist nun einmal da.) Und zugleich ist in der unteren Hälfte das Risiko gewachsen, weiter abzurutschen; minimal dagegen ist die Chance, aus der unteren Hälfte nach oben herauszukommen. Da mag man sich schon abgehängt fühlen, selbst wenn es einem möglicherweise alles andere als wirklich schlecht geht. Allzu wenig ist geblieben von einer unteren Mittelschicht, die sich ihres bescheidenen Wohlstands sicher sein kann. Warum einen das gleich anfällig machen muss für die größtmöglichen politischen Dummheiten, ist damit noch nicht erklärt. Aber wenn einen der gesellschaftliche Zusammenhalt nicht schon aus einer moralischen Verantwortung heraus interessiert, müsste man sich schon aus reinem Pragmatismus dagegen stemmen, dass die Gruppen der Gesellschaft immer weiter auseinanderklaffen. „Umverteilung“ ist ja ein Kampfbegriff, der gern gegen jegliche Spielart irgendwie linker Politik vorgebracht wird. Es hat über die letzten Jahrzehnte eine ziemlich gigantische Umverteilung von unten nach oben stattgefunden. Sie kann den Wahlerfolg eines Trump nicht allein erklären und schon gar nicht rechtfertigen. Aber es wäre schon längst an der Zeit gewesen, einen kleinen Strom in die Gegenrichtung zu leiten.